an Liebe vorbei kein Weg geht
Die Stigmatisierung von Mitleid gegenüber Menschen mit Behinderungen ist leider immer wieder gesellschaftlich spürbar. Dabei hat dieses Mitleid meist nicht einmal absichtlich schlechte Ursprünge.
„Wow, der sitzt permanent nur im Rollstuhl – das stelle ich mir furchtbar vor.“
„Oh, die arme Familie – stell dir mal vor, dein Kind würde mit schweren Behinderungen aufwachsen.“
„Der kann weder laufen noch sprechen? Wie schlimm!“
Solche Reaktionen sind leider keine Seltenheit, wenn Menschen ohne Behinderungen über Menschen mit Behinderungen sprechen. Es scheinen sehr klare Vorstellungen davon zu herrschen, wie der menschliche Körper auszusehen hat und zu welchen Leistungen er in der Lage sein sollte. Und es existieren viele Ideale rund um die Idee eines guten Lebens. Nach diesen Kriterien beurteilen wir uns selbst – und die Menschen um uns herum. Können Menschen aus bestimmten Gründen diese Kriterien nicht erfüllen, werden sie bemitleidet oder – noch schlimmer – ausgegrenzt und diskriminiert.
Dabei liegt ein klarer Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl.
Um einen respektvollen und würdevollen Umgang mit anderen Menschen zu pflegen, braucht es kein Mitleid. Es hilft weder der Person, an die es gerichtet ist, noch derjenigen, die es empfindet. Wenn wir mit-leiden, dann distanzieren wir uns. Wir schauen weg, weil das Leid zu groß und die vermeintliche Lücke zwischen mir und dir zu weit erscheint. Doch dabei verlieren wir. Wir verlieren alles, was noch zwischen uns ist – und alles, was uns verbindet.
Mitgefühl hingegen schaut hin und nimmt wahr: Träume, Wünsche, Errungenschaften und Niederlagen, Erkenntnisse, Glück und Schmerz, Wachstum, Veränderung, Liebe und Leid. Mitgefühl schaut hin und hört zu. Es nimmt wahr – das Gute wie das Schlechte.
Ein Weg zu echter Inklusion führt deshalb nicht nur über barrierefreie Räume, sondern auch über ein Bewusstsein für die Vorstellungen, die wir vom “guten Leben“ haben. Solange nur bestimmte Lebensweisen als erstrebenswert gelten, bleiben andere außen vor. Echte Inklusion braucht Mitgefühl – nicht Mitleid. Sie braucht die Bereitschaft, Vielfalt nicht nur zu akzeptieren, sondern als selbstverständlich und bereichernd zu sehen.